1156 Punkte und Rang 30 in der Europarangliste über 3000m Hindernis sind weniger als eine Woche vor Qualifikationsschluss für die Europameisterschaft in Rom eine sehr gute Ausgangsposition. Die besten 34 Hindernisläufer des Kontinents werden in den Vorläufen am 8.Juni im Estadio Olimpico um 15 Finalplätze kämpfen. Dort dabei zu sein wäre für mich gleichbedeutend mit der Realisierung meines größten sportlichen Ziels.

Aber von Beginn an: Mein Name ist Tobias Rattinger, ich bin 26 Jahre alt und komme aus dem schönen Steyr in Oberösterreich. Da ich aus einer sport- und vor allem leichtathletikaffinen Familie stamme, hatte ich schon in sehr jungem Alter meine ersten Berührungspunkte mit der Tartanbahn. Meine leichtathletische Grundausbildung erhielt ich bei meinem Heimatverein in Steyr im Rahmen von Zehnkampftrainings. Zusätzlich dazu spielte ich bis zur U-16 Tennis-Jugendmeisterschaft und hatte Spaß an allen möglichen Winter- und Sommersportarten. Schnell war mir aber klar, dass mein sportliches Talent eindeutig im Ausdauerbereich liegt. So begann ich 2014, mit dem Ziel bei oberösterreichischen Nachwuchsmeisterschaften teilzunehmen, mehrmals wöchentlich zu Laufen. Im Alter von 16 Jahren stand ich zum ersten Mal bei österreichischen U-20 Meisterschaften am Start und wurde im 5000m-Lauf überrundet.
Nach meiner Matura im Jahr 2016 absolvierte ich den Zivildienst in einem nahegelegenen Krankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt war mir bereits klar, dass ich auch mit meiner Ausbildung in eine medizinische Richtung gehen möchte. Es zog mich nach Innsbruck wo ich im Jahr 2018 begann Humanmedizin zu studieren. Nach kleinen anfänglichen Schwierigkeiten Studium, Studentenleben und Sport unter einen Hut zu bringen, gelang es mir dennoch 2019 mich für die U23-Europameisterschaft über 3000m Hindernis und im Crosslauf zu qualifizieren.
Gemeinsam mit meinem Trainer Sebastian Gaugl passten wir das Training so an meinen Stundenplan an, dass ich neben den Herausforderungen an der Uni auch sportliche Erfolge erzielen konnte.  In erster Linie sah ich mich allerdings als Student, deshalb war es mir auch immer wichtig so weit als möglich am Studentenleben teilzunehmen und einen zufriedenstellenden Studienfortschritt zu erzielen. Während meiner Zeit an der Med Uni Innsbruck konnte ich insgesamt vier Staatsmeistertitel, einen Balkanmeistertitel und über 20 Landesmeistertitel sammeln. Die Doppelbelastung aus leistungsorientiertem Training und einem Vollzeitstudium gut zu bewältigen, gelang manchmal besser und manchmal schlechter. Dieser Spagat zwischen Ausbildung und Sport fiel besonders schwer, wenn Prüfungsphasen terminlich mit Hallen- und Freiluftsaison kollidierten. Im März vergangenen Jahres legte ich meine letzte Prüfung in Mindeststudienzeit ab und startete direkt im Anschluss ins ‚klinisch-praktische Jahr‘, den letzten Abschnitt des Medizinstudiums.
Der Traum mich für eine Europameisterschaft der allgemeinen Klasse zu qualifizieren bewegte mich im Dezember 2023 dazu, eine Auszeit von der Ausbildung zu nehmen. Zudem beschloss ich auch meine Trainingspläne von nun an selbst zu schreiben. Zur Verbesserung meiner Grundlagenausdauer folgten zwei vierwöchige Aufenthalte in der Höhe von Südafrika im Jänner und März. Zwischen den Einheiten ausreichend Zeit für Regenerationsmaßnahmen zu haben war für mich völlig neu. So konnte ich Umfang und Qualität im Training nochmals deutlich steigern. Ausgestattet mit jeder Menge Motivation aber auch der nötigen Lockerheit, ist es mir gelungen mich Woche für Woche zu steigern. Selten zuvor hatte ich so viel Spaß am Laufen wie in der Vorbereitung auf diese Saison.

Schon bei meinem Saisoneinstieg im Rahmen der Hindernisstaatsmeisterschaften Anfang Mai gelang mir eine Steigerung meiner persönlichen Bestzeit um über 12 Sekunden. In den darauffolgenden Wochen sollte ich diese Zeit noch zwei Mal bei Rennen in Deutschland unterbieten.
Ob ich mir den Traum der Qualifikation für die Europameisterschaft wirklich erfüllen kann, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Schon jetzt steht für mich aber fest, dass sich der gesamte Aufwand in jedem Fall gelohnt hat.

Text: Tobias Rattinger

Bild: © ÖLV / Riedenbauer